Sein Name, aus dem bulgarischen herstammend betont man dort auf der zweiten Silbe.
Valentin identifiziert sich jedoch mit unserer Schwäbischen Sprache schon soweit,
dass er seinem gegenüber misstrauisch wird, wenn dieser seinen Namen richtig betont.
Regel zwei: Bieten sie ihm zum Abendessen keinen Wurstsalat an, er ist
Vegetarier. Mit Rotwein und Grappa ist das ne andere Sache.
Regel drei: Valentin ist von Beruf und aus Leidenschaft Maler.
Wenn sie sich mit ihm unterhalten sprechen sie langsam, denn als Maler formt er ihre gesprochenen
Sätze zu malerischen Gebilde um und das braucht seine Zeit.
Engagieren Sie ihn nicht zum Fenster streichen, denn in Bulgarien arbeitete
er bei einem Ferienjob als Fensterstreicher. Doch dieser Job fand ein abruptes Ende,
denn er strich nicht nur die Fensterrahmen, sondern auch die Fensterscheiben, was nicht so gut ankam.
Albert Camus, der französische Philosoph und Schriftsteller schrieb einmal:
Die Fantasie tröstet die Menschen über das, was sie nicht sein können, der
Humor über das, was sie tatsächlich sind.“
Aus meinen Eingangssätzen haben sie sicherlich bemerkt,
ich werde versuch-en Ihnen den Menschen Valentin Vitanov in humorvoller Weise näher zu
bringen, stichpunktartig Momentaufnahmen seines Lebens zeichnen, aber
nicht sein künstlerisches Lebenswerk beleuchten. Dafür habe ich genügend Fantasie,
wie dies Albert Camus ausdrückte, um dies anderen zu überlassen,
die es besser können, als ich.
Um diesen kraftvollen, fantasiebehafteten und dynamischen Menschen einiger-
maßen ins Kalkül zu bekommen, muss man sich den historischen Hintergrund seiner Heimatstadt Kyustendil,
einer Stadt in Südwestbulgarien mit ca. 73000 Einwohnern, vor Augen führen.
Seit der Gründung im 5.-4. Jahrhundert vor Chr. hatte diese Stadt, aufgrund
wechselnder Machthaber, auch sechs wechselnde Namen. Eine thrakisch-römische Bezeichnung, ein gotischer,
slawischer, byzantinischer, serbischer bis zum heutigen Tag osmanischer Namen wechselten sich ab.
Steckt nicht von all diesen Volksstämmen, genetisch gesehen, etwas in unserem Valentin,
allein wenn man die eruptiv- explosive Kraft seiner Farbkompositionen betrachtet.
Dieses eruptiv-explosive war auch der Grund, dass er im fernen Sofia,
fern vom heimatlichen Herd, der eigenen Dynamik überlassen und ausgeliefert,
am Gymnasium nicht reüssierte, sondern nach zwei Jahren im
heimatlichen Kyustendil im Abendgymnasium in den nächsten Jahren sein Abitur nachholte.
Die Militärzeit war auch für diesen Menschen, der dazu noch mit einem speziellen Freiheit und Gerechtigkeitsgen behaftet ist,
eine überaus schwere Zeit. Vor allen Dingen verlängerte sich sein Wehrdienst,
da er einige Zeit, gezwungenermaßen freiwillig, als erzieherische Maßnahme,
meditativ in einer vergitterten Einzelunterkunft verbringen musste.
Eine geistige Wende und Befreiung von militärischen Fesseln bedeutete für
ihn sein Studium der Malerei und Grafik und Design an der Universität
von Veliko Tarnovo, das er 1976 mit dem Staatsexamen abschloss.
Er war Mitglied bei den „Bulgarischen Künstlern Sofia“ und war Vorsitz-
ender der „Gemeinschaft junger Künstler Kyustendil“. Dies war eine Gruppe
junger und begabter Künstler, die eine andere Kunst produzierten, als jene,
die die kommunistische Partei hofierte. „Mit unseren Bildern“ sagt er „er-
schütterten wir die Grundpfeiler der dogmatischen Parteikunst“.
Als frei schaffender Künstler war er, trotz seiner kritischen Haltung dem
Regime gegenüber, schwer angreifbar. So versuchte der bulgarische Staatssicherheitsdienst subversiv arbeitend,
über erpresserische, diffamierende Attacken gegenüber Claudette, ihn in die Knie zu zwingen.
Eine geographische Veränderung des Wohnsitzes nach Sofia, um aus der
Schusslinie der gegen beide gerichteten Angriffe zu geraten, brachten auch
nur kurze psychische Entlastung.
Am 10. Nov. 1989, also vor 20 Jahren – ein Tag nach der bundesdeutschen
Wende, kam es in Bulgarien zur überraschenden Ablösung des kommunistischen Diktators Todor Schiwkow,
der 35 Jahre an der Macht war. Es hätte zur Wende kommen sollen, aber die Wende hat in Bulgarien nie stattgefunden.
Bis heute betreiben ganze Clans und Dynastien (ex)kommunistischer Parteimitglieder die Politik quasi als Familiengeschäft.
Aufgrund dieser Konstellationen, der weiter bestehenden Korruption und den familiären Seilschaften,
der Einschränkung der Meinungs- und auch der künstlerischen Freiheit und den damit verbundenen persönlichen Schikanen,
die speziell Claudette Vitanova betrafen, brachen sie ihre Zelte in der Heimat ab,
um, all ihr Hab und Gut zurücklassend, 1990 in die BRD überzusiedeln.
Am 10. November 95 gestalteten wir Deine erste Ausstellung im KV-Keller.
Das markanteste neben Deinen Bildern war damals Deine Schuhgröße 46,
denn sie entsprach genau Deinem Lebensalter. Wenn ich heute Deine Fußognomie betrachte, so haben da keine großen
Veränderungen stattgefunden, was man von Deiner Physiognomie nicht unbedingt behaupten kann,
denn die letzten 15 Jahre haben Dich zwar älter aber auch hübscher werden lassen.
Drohendes Unheil stand ins Hause, bzw. ins Atelier Vitanov, als im Jahre 96 die Ausweisung aus der BRD drohte.
Valentin hatte sich in den Jahren mit seiner Kunst einen exzellenten Ruf in der Region aufgebaut. Was an Geld zum Leben fehlte,
schaffte Claudette, die Emsige, durch Engagement in verschiedenen Arbeitsverhältnissen an.
Der behördlich anberaumte Ausweisungsantrag gelangte bis in den Petitionsausschuss des Landes Baden-Württemberg.
Es drohte die nahende Ausweisung, bis letztendlich Prof. Dreyer, damaliger Rektor der Kunstakademie Stuttgart,
den rettenden Gedanken fand und Fritz Kiel, damaliger OB von Fellbach und MdL, die Umsetzung dieser professoralen Ideen gelang.
Im Petitionsausschuss wird nicht nur die Rechtmäßigkeit einer behördlichen
Entscheidung geprüft, sonder auch deren Zweckmäßigkeit. So kann es zu einer
durchaus anderen Gewichtung im Interesse des Bürgers kommen, wie auch im Falle V.V.
Als zweckmäßig erkannte man, dass dieses künstlerische Potential
für das Land nicht verloren gehen dürfe. Warum sollte das,
was für den Sport und die Wissenschaft galt und gilt und auch öfters praktiziert wurde,
für die Kunst nicht auch angewandt werden.
Und dies zum Glück und Segen von Valentin Vitanov und Claudette Vitanova.
Hier wurde nomen zum omen, denn Vitanova übersetzt heißt neues Leben.
Valentin ist ein spiritistisch, religiös ausgelegter Mensch, wie dies uns die
Schafherde auch vor Augen führt, als deren guter Hirte er sich bezeichnet.
Diese seine Gläubigkeit führte ihn letztes Jahr auch auf den Jakobsweg,
wo er fast 800 KM zu Fuß zurücklegte. Es zeugt von einem tiefen Glauben
an Gott wenn ein Spätaufsteher, wie er als Resumée des Jakobsweg sagt:
Ich rannte nicht um ein Bett zu finden, ich suchte Gott und Gott fand immer
ein Bett für mich“.
Kennen sie nach der Flöte das bekannteste bulgarische Musikinstrument?
Denken sie an Schottland, dann kommen sie darauf. Es ist die Gaida,
der bulgarische Dudelsack. In Smoljan, einer Stadt mit 34000 Einwohn-
ern in Südbulgarien gibt es ein Orchester mit 100 Dudelsäcken. Der
KV wollte es verpflichten, aber die Versicherung und der Einfuhrzoll
dieser Dudelsäcke für einen Aufenthalt in der BRD war zu teuer, so dass wir von diesem Vorhaben Abstand nahmen.
So muss uns heute Abend das Musikschulorchester diese 100 Dudelsäcke ersetzen und ich finde sie tun es mit
Bravour und ich bedanke mich ganz herzlich für ihr Engagement.
Bulgarien, für die meisten von uns ein fernes, ja ein fremdes Land. Aber
es gibt auch Menschen aus diesem Land, die in der Wissenschaft und auch in der Kunst Weltruhm erlangten.
So kommt der Vater des ersten elektronischen digitalen Rechners aus Bulgarien (John Vincent Atanasoff)
und der Vater der Antibabypille war der österreichisch-bulgarische Wissenschaftler Carl Djerassi.
Die eine Erfindung bewirkte eine beschleunigte Datenvermittlung, die
andere eine gebremste Menschheitsvermehrung. Was wäre unsere Welt heute
ohne diese diametral gegensätzlichen, aber doch so genialen Erfindungen.
Wenn ich das Fußballspiel, wie dies Prof. Scheierle vom Philharmonischen
Chor vor Jahren tat, auch als ein Kunst- und Kulturprodukt betrachte, dann gibt es drei bekannte,
noch lebende bulgarische Künstler, die den Ruhm ihres Landes nach außen tragen. So denke ich,
lokalpatriotisch behaftet, an den Fußballspieler Krassimir Balakow vom VfB Stuttgart und
an Christo mit seiner unlängst verstorbenen Frau Jeanne Claude,
die international anerkannten Verhüllungskünstler. Und als drittes fällt mir nur noch Valentin Vitanov ein,
der Star des heutigen Abends.
Mit kommunistisch verbrämtem künstlerischen Denken in Bulgarien auf-gewachsen, hat sich V.V.
zu einem im westdeutschen Gedankengut freiheitlich denkenden und auch künstlerisch gestaltenden Menschen entwickelt.
Von der gegenständlichen Maltradition des „Sozialistischen Realismus“ be-
freit, entwickelte er eine eigene Form- und Farbensprache.
Wie wir bei dieser Ausstellung erkennen können, ist ein Ende dieser Entwicklung noch nicht absehbar, trotz seines doch sehr hohen Alters.
Lieber Valentin entwickle Dich weiter und lasse uns weiter an dieser deiner Entwicklung teilhaben.
Das Wesentliche im Leben und das ist bei Dir die Malerei, das Wesentliche
sollte mit Leidenschaft getan werden. Und wenn ich Dir in die Augen schaue
erkenne ich viel Leidenschaft und das trotz oder vielleicht auch gerade wegen Deines hohen Alters.